"Der Herr segnet alle"

Papst Franziskus verteidigt Segnungen für homosexuelle Paare

Papst Franziskus hat sich am Wochenende erstmals öffentlich zu Segnungen für homosexuelle Paare geäußert. Die Entscheidung des Vatikans, solche Segnungen zuzulassen, hatte in den vergangenen Wochen für viel Wirbel gesorgt. "Der Herr segnet alle. Alle, die kommen", sagte Franziskus am Sonntagabend in der italienischen Talkshow "Che Tempo Che Fa" (etwa: "Wie die Zeiten so sind"). "Aber dann müssen sich die Menschen mit dem Segen des Herrn auseinandersetzen und sehen, was der Weg ist, den der Herr ihnen vorschlägt."

Die Aufgabe der Kirche sei es, die Menschen an die Hand zu nehmen, anstatt sie von vornherein zu verurteilen, betonte Franziskus in dem TV-Interview. Bereits am Samstag hatte er sich bei einem Treffen mit Priestern des Bistums Rom zu der überraschenden Öffnung geäußert. Es würden die Menschen und nicht die Sünde gesegnet, sagte er laut Online-Portal Vatican News.

Am 18. Dezember hatte der Vatikan die Erklärung "Fiducia supplicans" (Das flehende Vertrauen) veröffentlicht. Erstmals wird katholischen Priestern darin gestattet, unverheiratete, wiederverheiratete und homosexuelle Paare zu segnen. Formuliert hat das von Papst Franziskus genehmigte Dokument dessen Chefdogmatiker, Kardinal Victor Fernandez. Voraussetzung für den Segen von Paaren in "irregulären Situationen" ist demnach, dass eine Verwechslung mit einer kirchlichen Traufeier ausgeschlossen und der Segen außerhalb des Gottesdienstes gespendet wird.

Während sich deutsche, französische und belgische Bischöfe hinter die Öffnung stellten, zeigten sich mehrere Priester im Erzbistum Madrid widerwillig. Kritik übten auch einige asiatische, lateinamerikanische und osteuropäische Bischöfe. Gar von Gotteslästerung sprach der frühere Leiter der vatikanischen Glaubensbehörde, Kardinal Gerhard Ludwig Müller. Eine besonders ablehnende Haltung nahm die große Mehrheit der afrikanischen Bischöfe ein. In vielen Ländern des Kontinents werden Homosexuelle gesellschaftlich geächtet und sogar strafrechtlich verfolgt.

Für diesen Umstand zeigte Fernandez in weiterführenden Erläuterungen Verständnis, die er Anfang des Jahres veröffentlichte. In Ländern, in denen Homosexualität unter Strafe stehe, sei eine Segnung gleichgeschlechtlicher Paare nicht angezeigt, schreibt der Glaubenspräfekt. Es bleibe aber wichtig, dass die dortigen Bischofskonferenzen nicht für eine andere Lehre als die vom Papst unterzeichnete Erklärung einträten. Der Kardinal mahnte zudem an, dass sich die Kirche in diesen Ländern für mehr Menschenrechte einsetzen müsse.

Trotz dieser nachträglichen Ergänzungen blieb ein Großteil der afrikanischen Bischöfe beim Nein. Das zeigt eine Umfrage des Erzbischofs von Kinshasa, Fridolin Ambongo, unter seinen Amtskollegen. Ambongo ist auch Präsidenten des gesamt-afrikanischen Bischofsrats SECAM. In einem Brief von vergangener Woche fasst er seine Umfrageergebnisse wie folgt zusammen: "Wir, die afrikanischen Bischöfe, halten es nicht für angemessen, homosexuelle Vereinigungen oder Paare des gleichen Geschlechts zu segnen. Denn in unserem Kontext würde dies Verwirrung stiften und im direkten Gegensatz zu den kulturellen Normen afrikanischer Gesellschaften stehen." Das Thema Menschenrechte kommt in dem Schreiben nicht vor.

Andererseits betont der kongolesische Kardinal in seiner Botschaft mehrfach, dass die afrikanischen Bischöfe die Einheit mit dem Papst in Rom wahren wollen. Doch auch in Franziskus' engstem Mitarbeiterkreis im Vatikan hat "Fiducia supplicans" teilweise Unmut hervorgerufen. Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin bezeichnete die Erklärung bei einer Veranstaltung in Rom zwar als "etwas Gutes". Im gleichen Atemzug betonte er aber, die Kirche müsse dem Evangelium, der Tradition und ihrem Erbe treu sein.

Unterdessen meldete sich Fernandez einmal mehr per Interview zu Wort. Sein Dikasterium habe derzeit keine kontroversen Themen mehr in der Pipeline, sagte er der spanischen Agentur EFE. Geplant sei aktuell ein Dokument zur Menschenwürde - mit Kritik an Geschlechtsumwandlung, Leihmutterschaft und Gender-Ideologie. Gut möglich also, dass sich Franziskus bald auf Journalistenfragen zu ganz neuen Themen einstellen muss.

Anita Hirschbeck/KNA